In der Ajoie wurden zwischen 1989 und 1995 durch den archäologischen Dienst des Kantons Jura auf dem Trassee der Autobahn A16 vier Fundplätze ausgegraben (Kap. 1). Auf jedem fand man einen Abschnitt der wichtigen Römerstrasse welche, über den Pierre-Pertuispass, das schweizerische Mittelland mit dem Rhein verbindet. Die Fundstellen Pré au Prince, Noir Bois, Pré Monsieur (Gemeinde Alle), sowie Sous Hermont (Gemeinde Porrentruy), liegen in der Schwemmebene der Allaine, einige Kilometer nördlich der Jurakette.

Die Überlandstrasse wurde auf einer Gesamtlänge von 610 m freigelegt und ihr Verlauf so auf 3 km gesichert. Die Bauweise ist an allen Stellen identisch (Kap. 2.1): ein aus senkrechten Kalkplatten bestehendes Strassenbett wurde auf einer Breite von 6,50 bis 6,70 m angelegt und mit einer gestampften Kiesschicht überdeckt. Die Strasse wird durch seitliche Gräben begrenzt. Soweit es die Topographie erlaubte, wurde sie geradlinig geführt. Als Schutz vor Überschwemmungen liegt sie leicht erhöht am Rande der Schwemmebene. Mehrere Unterhaltsarbeiten konnten nachgewiesen werden; die bedeutenste betrifft Auffüllungen auf einer Gesamthöhe von 90 cm, welche zwischen der zweiten Hälfte des 1. Jh. und dem Beginn des 2. Jh. n. Ch. erfolgten. Seitliche Aufschüttungen dienten der Festigung dieser Arbeiten (Kap. 2.1.3.2). Die Erhöhungen erfolgten im Bereich einer 70 m langen Geländesenke, wo der Verkehrsweg regelmässig durch Wasser überflutet worden ist. An dieser Stelle folgt auf einer gewissen Länge ein schmaler Weg der Strasse. Er dürfte, bei Überflutung oder Umbau der Strasse, als Umleitung gedient haben. Andere Reparaturarbeiten konnten ebenfalls nachgewiesen werden (Kap. 2.1.3.3). Sie beschränken sich klar auf beschädigte Stellen, sind in der frühen Benützungszeit von besserer Qualität und werden in der Folge opportunistischer.

Die Fundobjekte datieren den Bau der Strasse in die claudische Zeit (um 40/50 n. Ch.), das Ende ihrer regelmässigen Benutzung in die 1. Hälfte des 4. Jh. (Kap. 2.1.5.1). Strassen- und begleitender Strassenstationbau wurden sicher durch die kaiserliche Verwaltung mit Steuergeldbeteiligung, veranlasst. Dies belegt ihre strategische Bedeutung: einerseits dient sie der Verbindung zwischen dem Mittelland (und, weiter südlich, Italien) und der Rheingrenze ; andererseits, stellt sie einen Teil des claudischen Strassenbauprogrammes dar. Letzteres hängt mit der Eroberung von Britannien und dem daraus entstandenen bedeutenden Nord-Südverkehr zusammen. Vier, bewusst entlang dem Strassenrand angelegte, frühmittelalterliche Gräber (Kap. 5) lassen vermuten, dass der Verkehrsweg zu diesem Zeitpunkt noch sichtbar war. Möglicherweise wurde der Abschnitt zwischen Alle und Porrentruy dann noch zeitweise benutzt. Es gibt jedoch keine weiteren frühmittelalterlichen oder jüngeren (Be)funde.

Ein Strassenstation stellt den anderen wichtigen Aspekt des Fundplatzes Noir Bois dar : dieser Typ von Befund ist sehr selten in Gallien und in den beiden Germanien (Kap. 2.2.1). Die nur teilweise ausgegrabene Anlage schliesst direkt an den nördlichen Strassengraben an. Sie besteht aus einigen Gebäuden die in einem quadratischen 70 m breiten eingefriedeten Grundstück liegen. Bedingt durch die schlechte Erhaltung der archäologischen Schicht, bleibt die Funktion der Gebäude meist schwer erklärbar. Man kann jedoch an Personalunterkünfte - vielleicht für Soldaten und Personen auf Amtsreise -, Schuppen, Wagenhallen, Stallungen, kurz die für eine Strassenstation nötige Infrastruktur denken. Zwei Schmiedeessen mit untypischer Form, geläufiger als Getreidetrockenanlagen interpretiert (Kap. 6.6), haben zur Eisenverarbeitung gedient (Kap. 6.3). Der militärische Karakter der Anlage - dessen genaue Deutung offen bleibt: mutatio (Pferdewechselstation) oder mansio (Raststätte) - wird durch gewisse Elemente unterstrichen (Kap. 2.2.1.4). Der starke Anteil von Trinkgefässen spricht eher für eine mansio. Auch wenn die Anlage von Alle in nichts den monumentalen Raststätten von Augst, Pompei oder anderswo ähnlich sieht, wäre es gefährlich diese städtischen mansiones mit ihren ländlichen Gegenstücken zu vergleichen. Die Untersuchung solcher Raststätten, welche in Grossbritannien ausgegraben wurden, zeigt, dass es sich zuerst immer um rudimentäre Bauten handelt und dass Verbesserungen (Steinbau, Bäder, Hypokauste) erst nach einigen Jahrzehnten dazukommen. Die Strassenstation von Alle konnte wahrscheinlich nicht mehr in den Genuss von solchen Änderungen kommen, da sie um 70/ 80 n. Ch. plötzlich aufgelassen wurde (Kap. 2.2.1.3). Gebaut unter Augustus (mit unbekannter Ausdehnung) stand sie sicher in Bezug zu einem " Trampelpfad " welcher schon durch die kaiserliche Post benutzt wurde (Kap. 2.1.5.2). Dieser Weg wurde unter Claudius durch eine eigentliche Strasse ersetzt. Die Umfriedung sowie die Gebäude stellen eine zweite Ausbauphase der Strassenstation, gleichzeitig mit dem Bau der Steinstrasse, dar. Die Auflassung könnte mit der Eroberung der Agri Decumates (heutiges Breisgau) durch Vespasian in den Jahren 73/74 in Verbindung stehen. Die daraus resultierende Verschiebung der Grenze nach Osten hat sicher auch die strategische Bedeutung des Verkehrweges geschmälert.

Bei der Fundstelle Noir Bois wurde zwischen dem Südrand der Strasse und dem parallel liegenden Graben ein kleines Holzgebäude gefunden. Es liegt also auf öffentlichen Grund, einige 120 m östlich der Strassenstation (Kap. 2.2.2). Das Keramik- und Münzinventar fixiert die Benützungsphase dieses Amtsgebäudes zwischen 260/270 und 335. Es könnte sich um einen Strassenpolizeiposten handeln, was wiederum auf eine zunehmende strategische Bedeutung der Strasse in der Zeit der Alamanneneinfälle am Ende des 3. Jh. und im 4. Jh. schliessen liesse.

Im Bereich von Noir Bois (Kap. 2.2.4) und von Pré au Prince (Kap. 2.2.5) zweigen zwei - vermutlich private - Wege von der Hauptstrasse ab und führen wahrscheinlich zu einem nahegelegenen landwirtschaftlichen Betrieb (der Gutshof von Alle, Les Aiges: zurzeit laufende Ausgrabungen). Solche Befunde sind im ländlichen Bereich Galliens aussergewöhnlich. Das Fundmaterial ergibt interessante und teilweise neue Informationen. So sind die gefundenen keltischen Münzen TVRONOS-CANTORIX die einzigen welche mit Sicherheit aus dem Kanton Jura stammen (Kap. 3.1). Einige hundert Metallobjekte welche auf der Strasse gesammelt wurden, können mit Transportausrüstungen in Verbindung gebracht werden. Dies erleichtert die Interpetation von schlecht bekannten Objekttypen (Kap. 3.3 - 3.5). Das Keramikstudium zeigt Ähnlichkeiten mit der Region Basel, sowie mit dem benachbarten Frankreich. Eine regionale Keramikproduktion konnte jedoch auch nachgewiesen werden. Als kultureller Aspekt kann die fortdauernde, scheinbar ununterbrochene, Produktion von schwarzer Kochkeramik in Latènetradition (handgedreht und kammverziert) von Augustus bis zum Übergang des 3./4. Jh. hervorgehoben werden.

Im Kapitel 4 wird die Strasse ins regionale Verkehrsnetz einbezogen. Eine kritische Untersuchung führt zur Verwerfung von gewissen traditionnellen Thesen aus dem 19. Jh., und zeigt, dass sich die Abzweigung der Pierre-Pertuisstrasse nicht in Tavannes, sondern in Glovelier befindet. Diese Wegroute erlaubt es auf einer 25 km langen Talstrecke nach Basel zu gelangen, wobei man einen gleichlangen Weg durch die hügelige Gegend von Moutier vermeiden kann.

Übersetzung: Ludwig Eschenlohr