Die römerzeitliche Anlage bei "Les Montoyes", nahe des Dorfes Boécourt (JU), war bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts durch Auguste Quiquerez erkannt worden. Die systematischen Sondierarbeiten auf dem Trassee der Nationalstrasse A16-Transjurane haben zu einer erneuten Entdeckung des Ortes geführt. Es handelt sich um einen Bauernhof, der am westlichen Ende des Delsbergerbeckens am Fusse des Rangierspasses liegt. Die Gebäulichkeiten erstrecken sich im südexponierten Abhang eines Hügel auf einem leichten Geländeplateau, welches seinerseits einige Meter oberhalb eines früheren Seeleins. liegt. In drei Grabungskampagnen (1988, 1989 und 1990) wurden über 5000m2 freigelegt.

Obwohl die archäologischen Befunde sehr stark abgetragen sind, war es dennoch möglich zwei Hauptbenützungsphasen nachzuweisen. Die Entwicklung dieser Phasen zeigt deutlich die Durchdringung der ländlichen Gegenden durch den römischen Einfluss.

Die erste Benützungsphase fällt in die Mitte des 1.Jh. n. Chr. Einfache Gebäude werden von Gräben umgeben: es handelt sich um einen "einheimischen Bauernhof". Dieser Anlagetyp ist in der Schweiz noch unbekannt, er wurde aber häufig im belgischen Gallien, besonders der Picardie, gefunden (Agache 1976). Es handelt sich dabei um eine direkte Entwicklung aus einem Modell der gallischen Epoche. Die Begrenzungen des Hofgebietes sind gekennzeichnet durch zahlreiche Gräben (sie wurden auf mehr als 500m erkannt), welche sich über annähernd 4 Hektaren erstrecken. Ein grosser, viereckiger, nicht ganz eingeschlossener Platz, zwei Innenbegrenzungen und mehrere Verzweigungen, lassen eine viel entwickelter Strukturierung vermuten als es den Anschein hat. Die Gebäulichkeiten, welche sich im Inneren dieser Fläche befinden, sind zwei kleine gemauerte Gebäude und eine Anzahl von Bauten aus Lehm und Holz: eine Hütte, ein Tiergehege und ein hypothetischer Speicher.

Gegen Ende des 1.Jh. n. Chr. zeigen die unternommenen Veränderungen den Übergang vom Bauernhof in gallischer Tradition zur Villa rustica nach römischer Vorstellung an. Auch wenn diese Entwicklung unabgeschlossen bleibt, spricht die Integration der alten Bestandteile ins Architekturprogramm des Komplexes für eine bemerkenswerte Besiedlungskontinuität. Das durch Gräben gebildete Gehege wird im westlichen Abschnitt durch eine neue Umfassungsmauer im Mörtelbau abgelöst, das nördliche Gebäude entwickelt sich zu einem Bau mit Basilikakonzept, das südliche erhält neue Zimmer, wovon eines mit einer Hypokaustheizung ausgestattet wird. Die Uferpartie des kleinen Sees wird schliesslich durch eine Steinsetzung in Verbindung zur neuen Umfassungsmauer stabilisiert. Im Gegensatz dazu erfährt der östliche Teil des Anwesens keine Veränderungen. Die Anlage vermittelt nun das Bild einer gemischten Ansiedlung; im Westen bilden zwei Mörtelsteinbauten und eine Umfassungsmauer die "pars urbana", im Osten hingegen, bleiben in der "pars agraria" die herkömmlichen Gebäulichkeiten aus vergänglichem Material und das Grabensystem in Betrieb. An dieser Stelle zeigen die zahlreichen Gruben -Silos, Abfallsgruben und Feuerstellen -, dass diese Zone während der ganzen Besiedlungsdauer benutzt wurde. Die Auflassung des Siedlungsplatzes ist ohne Zweifel mit den Ereignissen um die Mitte des 3.Jh. n. Chr. in Verbindung zu bringen. Es hat den Anschein, dass die Bewohner den Ort vor dem Einfall germanischer Horden verliessen, da keine Spuren gewaltsamer Zerstörung bemerkt wurden. Für das 4.Jh. verfügen wir über keine Besiedlungsnachweise, es sei denn der nach 353 vergrabene und 1913 gefundene Geldschatz.

Das archäologische Fundmaterial setzt sich hauptsächlich aus Keramik zusammen und hat einen deutlich einheimischen Aspekt. Wie das architektonische Konzept, die Baumaterialien und -techniken, verraten auch die Funde den ländlichen und konservativen Charakter der Anlage.

Parallel zu den rein archäologischen Untersuchungen, wurden mehrere spezialisierte Studien am Fundplatz vorgenommen. So lieferten die Dendrochronologie, die Geologie, die Knochen- und die Pollenkunde ihren Beitrag. Eine interdisziplinäre Synthese zwischen der Archäologie und den Naturwissenschaften hat einen Rekonstruktionsversuch der natürlichen Umgebung des Anwesen ermöglicht (Kap. 12.7). Ein Buchen-Tannenwald bedeckte das ganze Hinterland und erstreckte sich bis auf die Hügel in der Talsohle. Der Bauernhof liegt im Zentrum einer Lichtung und überragt den kleinen See, dessen Ufer einen Schilfgürtel aufweisen. Um die Wasserstelle hat sich ein Erlengehölz entwickelt. Der westliche Teil des Hofes diente eher den verschiedenen landwirtschaftlichen Kulturen, während sich im östlichen Teil die Weiden erstreckten. Das Umschlagbild und die Abbildung 96 vermitteln einen Eindruck dieser Landschaft.

Dieser hier vorgestellte Siedlungstyp wurde selten in seiner Gesamtheit ausgegraben. Er unterscheidet sich durch seine Merkmale von den mittleren und grossen, römischen Villen (Vicques, JU; Seeb, ZH; Orbe, VD) und ergänzt unsere Kenntnisse der ländlichen Besiedlung in römischer Zeit.

Übersetzung : Ludwig Eschenlohr